Was heißt transdisziplinär und transformativ forschen? Was ist ein Urbanes Reallabor? Diese und weitere Fragen wurden im Kontext der Komplexität städtischer Räume, den großen gesellschaftlichen Herausforderungen und nachhaltiger Transformationsprozesse im Rahmen der Lehrveranstaltung „Theoretische Wissensgrundlagen und Methoden für die transdisziplinäre Stadtforschung“ des Masterstudiums Raumordnung und Raumforschung im Wintersemester 2023 adressiert. Da sich Vieles besser verstehen lässt, wenn man es selbst tut, war es im Rahmen der Lehrveranstaltung Aufgabe der Studierenden, ein eigenes Reallabor zu entwickeln.
Zunächst musste eine realweltliche Problemlage gefunden werden, die sich räumlich lokalisieren und im Zeitrahmen eines Semesters gut bearbeiten ließ. Die Entscheidung fiel durch die Studierenden für eine Vision über einen gemeinschaftlichen, inklusiven Beteiligungsprozess für eine zukunftsfähige Wohnstraße im 20. Wiener Gemeindebezirk (Othmargasse), der auch Fragen der Generationengerechtigkeit, Angsträume sowie klimafitte Wohnstraßen einbezieht.
Die Studierenden arbeiteten im Verlauf des Semesters entsprechend eines reallabortypischen Ablaufs in drei Phasen: der Co-Design-, der Co-Produktions- und der Co-Evaluations-Phase. Im Zuge der Phase 2 organisierten sie am 23.01.2024 ein „Reallabortag“ in den Räumlichkeiten des Kinderbüros Wien (Das DOCK). Durch eine intensive Vorbereitung, exzellentes Teamwork und das insgesamt große Engagement, folgten insgesamt 13 Personen der Einladung der Studierenden.
Der Reallabortag war durch die Studierenden als dreistündiger Workshop konzipiert und hatte zum Ziel, die Frage „Wie können wir gemeinsam den weiteren Prozess zu einer zukunftsfähigen Othmargasse gestalten?“ zu diskutieren und mögliche Lösungsansätze partizipativ zu erarbeiten. Durch den Einsatz verschiedener transdisziplinärer Methoden wurde eine gemeinsame Wissensbasis der Teilnehmenden angestrebt, die die verschiedenen Perspektiven auf die Wohnstraße berücksichtigt.
Ganz im Sinne der für den Reallabortag selbst gesetzten Ziele schafften es die Studierenden Menschen zusammenbringen, die bisher noch keine Chance hatten, miteinander ins Gespräch zu kommen. In gemeinsamer Runde konnten so neue Impulse und Ideen entstehen.
In der abschließenden Co-Evaluations-Phase fokussierten die Studierenden auf der Auswertung der Resultate des Workshops. Es wurde eine Mind-Map erstellt, in der die Ergebnisse nach verschiedenen Wissensgewinnen eingeteilt wurde: Systemwissen, Zielwissen und Transformationswissen. Dies bot eine gute Möglichkeit, die Ergebnisse intensiv zu reflektieren/evaluieren, zu strukturieren und den Expert*innen komprimiert und übersichtlich bereitzustellen.
Die Erarbeitung des Reallabors und insbesondere die eigenständige Planung und Durchführung des Workshops forderte die Kreativität und den Teamgeist der Studierenden heraus. Dies ebnete jedoch auch den Weg für zahlreiche neue Erfahrungen. So erfuhren die Studierenden wie schwierig es ist, die verschiedenen Wünschen von Anrainer*innen, Expert*innen mit den technischen und politischen Rahmenbedingungen zu vereinen. Dies zeigte auch auf, wie stark sich Theorie und Praxis im Berufsalltag unterscheiden können. Eine große Herausforderung war auch, Bewohner*innen der Othmargasse zur Teilnahme am Workshop zu mobilisieren. Bei der Planung von Reallaboren würden die Studierenden zukünftig mehr Augenmerk auf die Erreichbarkeit/Ansprache marginalisierter Personengruppen legen.
Reallabore bieten eine gute Möglichkeit, um verschiedene Akteur*innen zusammenzubringen und eine inklusive und nachhaltige Stadtentwicklung zu fördern. Besonders deutlich wurde, dass eine transparente, effektive und inklusive Einbindung von Anrainer*innen/Bewohner*innen in Planungs- und Beteiligungsprozessen erforderlich ist, jedoch nicht einfach zu realisieren ist.
Lehrveranstaltungsleitung: Kerstin Krellenberg
Bericht & Photos: Hannah Szirota und Sophie Gnadenberger